Donnerstag, 16. Mai 2019

Der DFB-Kader für die Frauen-WM // Analyse (MITTELFELD/ANGRIFF)

Und weiter geht's im Mittelfeld bzw. Angriff:

Lena Oberdorf // Wird hoffentlich von Verletzungen verschont bleiben und hat dann eine große Karriere vor sich. Mit gerade einmal 17 Jahren fährt sie - wie einst Pelé - zu einer WM. Das mag einige überraschen, aber Voss-Tecklenburg hat bei ihr klare Linie gezeigt. Die Nominierung hat das bestätigt und Oberdorf wird dies auf dem Platz tun. Wer gesehen hat, wie sie eine Kosovare Asllani (sauber) abgegrätscht hat, kann eigentlich keine Zweifel an ihrer Benennung  haben.

Lea Schüller // Die zurzeit torgefährlichste Nationalspielerin kommt natürlich auch mit. Ihren Torriecher und ihre Abschlussstärke muss man nicht mehr gesondert herausheben. Sie wird Tore für Deutschland schießen in Frankreich. Mehrere.

Svenja Huth // Es gibt nicht viele Spielerinnen, die derart viel arbeiten für ihr Team, wie Huth. Eine tolle Spielerin, großartige Kämpferin, zurecht Co-Kapitänin. Sie bringt alles von Erfahrung über Können mit. Ohne sie würde Voss-Tecklenburg wohl auch zu Hause bleiben.

Dzsenifer Marozsán // Was soll man zu Maro noch sagen? Hat nach dem Training mit Lyon letzte Woche kurz die Meisterschaft gefeiert und wird kommendes Wochenende kurz zum vierten Mal die Champions League gewinnen. War letztes Jahr schwer erkrankt und konnte ihre Fähigkeiten unter Jones nur bedingt abrufen - ist jetzt aber wieder da und wird Dreh- und Angelpunkt im deutschen Offensivspiel.

Alexandra Popp // So, wie Lena Goeßling alles hinter der Mittellinie spielen kann, kann Poppi alles davor. Die wuchtige Offensiv-Allrounderin ist zurecht die Kapitänin des deutschen Teams und in quasi jeder Situation eine Waffe. Eine nahezu komplette Spielerin.

Sara Däbritz // Mit 24 Jahren schon 59 Länderspiele absolviert zu haben, zeigt bereits, wie wichtig Däbritz für's deutsche Team ist. Gern bissig nach hinten und möglichst zielstrebig nach vorn ist sie genauso für die Kreation von Chancen zuständig, wie Marozsan. Enttäsucht selten und wird wichtig für die Mannschaft.

Linda Dallmann // Noch so ein Verletzungsfall. Hat die Saison wenig gespielt, auch zuletzt. Die Erfahrung zeit aber, dass man immer auf sie setzen kann. Dallmann macht immer nen ordentlichen Job, das weiß auch Voss-Tecklenburg und nimmt sie daher auch zurecht mit.

Verena Schweers // Für mich eine Wackelkandidatin, wenn ich offen bin. Die Flügelspielerin sehe ich eher in der Defensive und dort nicht immer sicher. Schweers ist eine enorm engagierte Spielerin, die aber gelegentlich gegen schnelle Spielerinnen keine gute Figur macht. Bei ihrer Erfahrung sollte sie das aber mit gutem Stellungsspiel wettmachen können.

Melanie Leupolz // Hier bin ich voreingenommen. Mel ist wohl meine Lieblingsspielerin (sorry, Daniëlle van de Donk); sehr fleißig, sicheres Passspiel, (manchmal zu) harte Zweikampfführung. Ich würde gegen eine Leupolz nicht spielen wollen. Die Bayern-Kapitänin ist oft fast unauffällig, aber so wichtig und hat nach ihrer langen Verletzung eine gute Saison für München gespielt. Ist sie fit, ist sie kaum zu ersetzen.

Klara Bühl // Auch erst 18 Jahre jung gehört die Freiburger Stürmerin zu den "jungen Wilden" im Team, deren Nominierung aber eher einem "gewöhn' dich schon mal an die Nationalmannschaft" geschuldet ist. Mit Popp, Huth oder Schüller kann sie noch nicht mithalten, aber der große Sprung bei einer Weltmeisterschaft ist ihr durchaus zuzutrauen.

Lina Magull // Die Münchnerin wird beim FC Bayern zukünftig eine noch wichtigere Rolle spielen, wenn Däbritz im Sommer den Verein verlassen und sich PSG anschließen wird. Da man die Nationalmannschaft aber nicht wechseln kann, ist es bei der WM anders. Die Offensivspielerin wird aber sicher ihre Einsätze bekommen und die wird sie ordentlich bestreiten.

Turid Knaak // Knaak hat mit der SGS Essen eine richtig gute Saison gespielt, in der Nationalelf aber noch nicht viele Bewährungsproben bekommen, nachdem sie seit der U-15 alle Auswahlteams durchlaufen hat. Trotz der vielleicht fehlenden internationalen Erfahrung kann sie durchaus Impulse geben, wird aber wohl keine regelmäßige Wahl für die Startaufstellung.

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Wer fehlt?
Zumindest mir persönlich: Felicitas Rauch. Die Nichtberücksichtigung wird für sie ein Rückschlag sein, den sie hoffentlich sportlich nehmen kann. Ist hoffentlich besser darauf "vorbereitet" worden, als ich (Echt mal, #MVT, das hätten Sie mir sagen können!), sonst dürfte sie das schwer getroffen haben. Voss-Tecklenburg erwähnte bei der PK am 14.05.2019, dass Leonie Maier sehr knapp das Rennen vor Rauch gemacht hat. Wusste zwar gar nicht, dass Maier am Rennen teilnahm, aber sei's drum.
Außerdem: Simone Laudehr. Sie gehört für mich einfach zur Nationalmannschaft. Ihre Nichtberücksichtigung wurde weder kommentiert noch hinterfragt. Die Enttäuschung behaupte ich aus Ihrem Instagram-Post vom 14.05.2019 herauslesen zu können, in dem sie gleichwohl mehr Wörle und Jones kritisiert. Wenn man ganz ehrlich ist, muss man aber wohl konstatieren, dass Laudehr vielleicht wieder fit, aber insgesamt noch nicht wieder bei hundert Prozent ist. Ich kann die Entscheidung nachvollziehen, hätte es mir aber anders gewünscht. Dass Simon ihre Karriere in der Nationalmannschaft jetzt beendet mag trotzig anmuten, aber sie wird es als Signal gewertet haben, dass sie für Voss-Tecklenburgs Planungen keine Rolle mehr spielt und ist insoweit verständlich. Danke, Simone Laudehr, für viele tolle Jahre in der Nationalelf, für alles, was du für diesen Sport getan und ertragen und wie du dich aus jedem Tief wieder herausgezogen hast. Und alles Gute für die Zukunft!

Insgesamt dürfte der Kader keinen Sturm der Entrüstung nach sich ziehen, die Nominierungen entsprechen größtenteils dem Personal, auf das Martina Voss-Tecklenburg auch in ihren ersten Partien mit der DFB-Elf gesetzt hat. Größte Überraschung bleibt für mich die Benennung von Leonie Maier statt Felicitas Rauch sowie irgendwie auch die Mitnahme von Laura Benkarth - Eine Lisa Schmitz wäre nach meinem Dafürhalten die sicherere Wahl gewesen.

Bleibt der Blick auf die möglichen Startaufstellungen, der freilich abhängig von Gegner und System ist. Bisher lies die Trainerin in drei Spielen mit drei mehr oder weniger verschiedenen Systemen spielen. Eine gezielt offensive Variante mit bevorzugt zwei Stürmerinnen könnte beispielsweise ein 3-5-2 sein (Variante 1):

Variante 1
Variante 2

Oder was anderes. Varianten gibt's personell und im System genügend. Huth könnte hier auch links und Gwinn stattdessen rechts. Ein 4-2-3-1 mit den gleichen Personal ist ebenfalls vorstellbar (Variante 2).

Der Möglichkeiten sind da viele. Insbesondere im Defensivbereich wird Voss-Tecklenburg aber darum bemüht sein, zeitnah eine gut zusammenpassende und daher fest zusammenspielende Gruppe zu finden.

Offensiv wird man durch gelegentliche Wechselspielchen einigermaßen unberechenbar bleiben können. Die meisten deutschen Angriffsspielerinnen haben die Qualität, im Spiel einen Unterschied zu machen und die DFB-Auswahl an sich ist in der Lage, jeden Gegner zu schlagen. Ob das letztlich gelingen wird, bleibt abzuwarten. Es wird nicht immer alles klappen und Rückschläge gehören dazu. Dennoch ist alles möglich und Deutschland zum Favoritenkreis zu zählen. Doch deren Kreis ist in den letzten Jahren größer geworden - und gewinnen kann immer nur eine Mannschaft.



/br.

Mittwoch, 15. Mai 2019

Der DFB-Kader für die Frauen-WM // Analyse (TOR/ABWEHR)

Die Pressekonferenz ist durch, der Kader nominiert. Martina Voss-Tecklenburg hat die 23 Namen genannt, die den DFB bei der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Frankreich vom 07. Juni bis 07. Juli 2019 vertreten werden. Die ein oder andere Überraschung ist dabei.
Gehen wir die Namen mal durch:

TOR
Almuth Schult // Die Nummer Eins. Wenn fit, dann alternativlos. Laboriert aktuell an einer wohl schon etwas länger schwelenden Schulterverletzung herum. Ob sie tatsächlich rechtzeitig auf Wettkampfniveau kommt, scheint fraglich. Ist nicht immer die Sicherste und leistete sich zuletzt einige Aussetzer, ist handwerklich aber sicher die Beste.

Laura Benkarth // Ob sie wirklich die Nummer Zwei hinter Schult ist, ist nicht ganz klar. Ist sehr lange verletzt gewesen, hat aber gegen Ende der Saison bei Bayern sofort den Vorzug vor Manuela Zinsberger erhalten. Um das zu rechtfertigen, muss sie schon außergwöhnlich gute Trainingsleistungen gezeigt haben, denn die Österreicherin spielte eine starke Saison. Spielpraxis fehlt ein bisschen, aber eine solide Wahl.

Merle Frohms // Spielpraxis ist bei ihr weniger ein Problem, doch die Saison mit Freiburg lief insgesamt nicht wirklich gut. Bekam wegen Schults Masernerkrankung Einsätze bei der DFB-Auswahl und hat das ordentlich gemacht. Könnte eine für die Zukunft sein, wird bei der WM aber eher nicht spielen.

ABWEHR
Carolin Simon // Spielte zuletzt unter Voss-Tecklenburg keine große Rolle, zuvor fast gesetzt, hatte ebenfalls mit Verletzungen zu kämpfen. Erfahrene Verteidigerin, die in der Saison für Olympique Lyon 13 Mal aufgelaufen ist.

Kathrin Hendrich // Die flexible Verteidigerin hat mich bei Bayern und auch in der Nationalmannschaft überzeugt. Flott, gute Zweikämpfe, gesunder Offensivdrang. Hendrich ist erst 27 und kann noch bisschen was drauf packen. Dass sie das tut steht aber außer Zweifel, wenn sie (hoffentlich) gesund bleibt. Hätte ich auch nominiert.

Leonie Maier // Sie hat mir gefehlt, irgendwie. 69 Länderspiele, zuletzt aber keine, kam auch beim FC Bayern in dieser Saison nicht so oft zum Zug. Wird die Münchnerinnen folgerichtig (vermutlich gen Arsenal) verlassen. Ihre Nominierung ist ne Überraschung, aber kein Fehler, hatte ich nur nicht mit gerechnet. Bin gespannt, ob sie sich in Frankreich wird zeigen können.

Marina Hegering // Wen diese Personalie überrascht, der hat in den letzten Monaten nicht richtig aufgepasst. Voss-Tecklenburg ist bekennender Fan der Essenerin, deren Leidensweg der letzten zehn Jahre locker den von Marco Reus oder Arjen Robben in den Schatten stellt. Die Art, wie sie sich zurückkämpfte hat #MVT überzeugt - mich in der Nationalmannschaft aber noch nicht.

Lena Goeßling // Die erfahrene Wolfsburgerin wurde von Steffi Jones nicht so geschätzt, zeigte sich dann streitbar. Bringt viel Charakter mit in das Team und gehört genau deshalb in den Kader. Auch wenn sie nicht immer spielen wird, ist Goeßling eine absolut solide Wahl für jede Position hinter der Mittellinie.

Johanna Elsig // Die Innenverteidigerin ist eine der wichtigsten Spielerinnen für Potsdam und
mausert sich auch im schwarz-weißen Dress immer mehr. Wirkt nicht immer hundertprozentig sicher und hat noch Schwächen in der Spieleröffnung, trotzdem führte eigentlich kein Weg an ihr vorbei.

Giulia Gwinn // Es freut mich, dass #GG7 mitfährt. Das 19jährige Riesentalent wird im Sommer von Freiburg zu Bayern wechseln und dort den nächsten Schritt machen. Für die DFB-Auswahl hat man sie zurecht bereits entdeckt. Konnte mich dort immer wieder mit guten Impulsen ansprechen, stach aber noch nicht heraus. Wird sie im Sommer aber (hoffentlich offensiv).

Sara Doorsoun // Für die Wolfsburgerin wird die Rückkehr von Nilla Fischer nach Schweden sportliche Vorteile bringen. Hat mich bisher eigentlich immer überzeugt und gehört ohne Zweifel in die Nationalmannschaft. Könnte mit Elsig die Innenverteidigung bilden, wird sich aber mit Hegering streiten müssen.

Donnerstag, 9. Mai 2019

Vorfreude und Enttäuschung // Gedanken zum deutschen Frauenfußball vor der WM

Keinen Monat dauert es mehr, dann steht das größte Fußballevent dieses Sommers an.
Nicht das Champions-League-Finale zwischen Tottenham und Liverpool (obwohl das bestimmt auch klasse wird).
Nein, es ist WM! Im Fußball. Der Frauen.
Habt ihr nicht mitbekommen? Dann müsst Ihr ja völlig hinterm Berg leben.
Man kann doch keine Stunde fernsehen, ohne auf die Übertragungen der Öffentlich-Rechtlichen hingewiesen zu werden; kann keinen Kilometer in der Stadt gehen, ohne die Konterfeis der deutschen Spielerinnen zu sehen; und die Twitter-Timeline funktioniert gar nicht, ohne dass man auf den FIFA Women's World Cup 2019 in Frankreich heiß gemacht wird.

Ach so, ihr lebt gar nicht in England oder den Niederlanden?
Tja, in der deutschen Fußballrepublik läuft es leider nicht ganz so. Hierzulande sieht man (Stand: 09.05.2019) keine Hype-Videos der DFB-Frauen, keine Werbung für den tollen Sport und spürt kaum Vorfreude, die einem entgegenkommt. Als Fan muss man sie selbst ausstrahlen.
Aber warum ist das so?

Sicher keine leicht zu beantwortende Frage. An der generellen Ablehnung gegenüber Fußball spielenden Frauen und Mädchen? Auch. Aber nicht mehr ganz so, wie früher. Je nachdem, in welchem Teil meines Umfeldes ich das Thema Frauenfußball anschneide, kommen mir über seltsame Blicke ("Echt, das guckst du?"), prinzipielle Ablehnung oder entsprechende Scherze (, die ich irgendwie nicht mehr witzig finde) bis zu auf Höflichkeit gründendem Interesse entgegen - unabhängig vom Geschlecht. Doch einige Sportbegeisterte schauen sich große Turniere bzw. große Spiele in solchen dann schon an, vergessen danach aber schnell wieder.
Ist das die fehlende Identifikation? Gibt es in Potsdam mehr Frauenfußballfans als in Leipzig? Vermutlich. Ich selbst benötige aber keinen Lieblingsverein in der Frauen-Bundesliga, vor allem deshalb, weil ich eher einzelne Spielerinnen klasse finde, als die Vereine. Ich schau' gern die Spiele des VfL Wolfsburg, weil mich z.B. Ewa Pajor diese Saison fasziniert; verfolge die Bayern, weil starke Rückkehr von Melanie Leupolz nach recht langer Verletzung beeindruckt; will wissen, wie Arsenal oder Barcelona gespielt haben, weil ich mich bei der EM 2017 in so ziemlich jede Niederländerin "verliebt" habe. Doch das wird und kann nicht jedem so gehen, der nicht so tief in der Materie steckt.

Ist es die fehlende Attraktivität? Das ist gewiss Ansichtssache. Ohne es chauvinistisch zu meinen: Frauen sind nicht so stark, nicht so groß und nicht so schnell, wie Männer. Die anatomischen Unterschiede wirken sich natürlich auf das Geschehen auf dem Platz aus, das Spiel ist langsamer. Zu sagen, dass einem deshalb Männerfußball eher zusagt, ist nachvollziehbar und eben eine persönliche Ansicht. Ich kann beidem etwas abgewinnen. Und ich erwische mich bei manchem Bundesliga-Spiel bei dem Gedanken, dass mich diese Schauspielerei, die kleinen Fiesheiten, die Provokationen in so mancher Begegnung derart anöden, dass ich mir wünsche, DFB-TV würde SC Sand gegen FFC Frankfurt übertragen.
Jede Frau zeigt in ihrem Sport genauso viel Einsatz und Wille, Kampf und Leidenschaft, wie die Herren. Auch wenn die Spiele anders sind, stellt allein dieser Fakt den Frauenfußball für mich auf die gleiche Stufe, wie den der Männer.

Fehlende Zugänglichkeit? Damit würden wir uns dem (meiner Meinung nach) Kern schon annähern - der Präsentation. Man kann die Spiele einfach kaum sehen. Zwar hat immerhin Sport1 bereits in der Saison 2017/2018 damit begonnen, gelegentlich ein Spiel zu zeigen und dies 2018/2019 etwas verstärkt. Da dieses Spiel jeweils dann auch auf dfb.tv gestreamt wird, kann man hier aber leider nur von einem bedingten Mehrwert sprechen, obgleich der Free-TV-Sender sicher ein breiteres Publikum erreicht, als das Videoportal des DFB. Ein zusätzliches Spiel pro Spieltag springt dabei also nicht heraus. Mit (in der Regel) dem Spiel der FC Bayern-Frauen, das Magenta TV zeigt, kommt dann höchstens ein weiteres Spiel dazu. Pro Woche also maximal zwei, zumeist Wolfsburg oder München. Reicht das?
Mir nicht. Klar: Am Wochenende läuft genügend Fußball. Wann soll man denn die Frauen auch schauen? Aber ist es ein so gewaltiger Aufwand, einfach die Möglichkeit dazu bereitzustellen?
Offenbar ja. Und ich verstehe das. Der DFB als einer der kleinsten und dazu ärmsten Sportverbände der Welt kann unmöglich die Infrastruktur verfügbar machen, um alle Spiele zu streamen.
Gut, bleiben wir ernst. Wenn ich daran Interesse habe, kann ich jedes (also wirklich: jedes) Spiel der amerikanischen NWSL ansehen. Es kann doch nicht sein, dass das für die Frauen-Bundesliga nicht möglich ist. So gern brüstet sich der DFB damit, was er alles für seine Amateure tut und wie wichtig die für ihn sind und so weiter. Davon bemerke ich hier nichts.

Immerhin sorgt man auf Verbandsseite aber auch dafür, dass all das zu keinem größeren Problem wird. Denn der Frauenfußball wird schön klein gehalten. Eine Präsentation findet quasi nicht statt, ein Interesse wird nicht geweckt. Der DFB veröffentlicht lieber Videos davon, wie sich gestandene Nationalspielerinnen von eSportlern ein gutes Verständnis für ihren Sport attestieren lassen dürfen (hier) oder vom gemeinsamen Kochen (hier) (ja, ernsthaft).
Aber jetzt kommt ja die WM, danach wird alles anders. Der DFB wird zusammen mit den Öffentlich-Rechtlichen sicher eine längere Video-Reihe zur Mannschaft und allen nominierten Spielerinnen machen, wenn die bekannt sind. Bestimmt! Die ARD wird in den nächsten Tagen damit beginnen, vor der Tagesschau kurze Teaser zur WM zu zeigen. Bestimmt!

Selbst die Haltung der Frauenfußball betreibenden Vereine hierzulande ist eindeutig. Nachdem in den vergangenen Wochen und Monaten bei Club-Spielen in Spanien und Italien Zuschauerrekorde purzelten, ließ man sich (auf die Frage, ob man für das Champions League-Viertelfinalspiel gegen die beste Mannschaft der Welt in ein größeres Stadion wolle) beim VfL Wolfsburg zu der generösen Ansage herab, man habe keine Interesse daran, dadurch die Zuschauerschaft künstlich aufzublähen.
Was für ein Schlag ins Gesicht. Man wolle das Produkt nicht zum Nulltarif anbieten. Aber Werbung für das "Produkt" will man auch keine machen. Scheut man das Risiko? Vielleicht. 40 Millionen für einen durchschnittlichen Spieler als Ablöse zu zahlen, der floppt, geht in Ordnung. Aber ein paar Tausend Euro für ne Werbekampagne, billige Stadionplätze für mehr Unterstützung der Frauenmannschaft und vielleicht darauf resultierendes steigendes Interesse? Keine Chance.

Ich weiß nicht, ob Atletico das Risiko umsonst einging, als man an Madrider Kreuzungen riesige Werbeplakate für das Liga-Spiel gegen Barcelona aufbringen lies. Ich weiß nur, dass über 60.000 Zuschauer im Stadion waren. Und dass einige davon wiederkommen werden.
Der DFB läuft hier nicht Gefahr, zurückzufallen. Er ist es schon. Und wird es zu spät merken. Ebenso wie die Vereine der Frauen-Bundesliga.

Weshalb ich mich jetzt dennoch auf die WM freue?
Weil nicht nur der DFB in Frankreich vertreten sein wird. Natürlich werde ich mit der deutschen Mannschaft besonders mitfiebern. Aber auch mit der englischen. Und der spanischen. Und niederländischen (♥). Und der französischen. Und schwedischen. Und schottischen. (Ihr wisst, worauf ich hinaus will)
Weil ich mich auf den Sport an sich freue, auf volle Stadien mit Zuschauern, die ihr Team, ihre Frauenfußball-Auswahl sehen wollen. Auf die besondere Atmosphäre.
Weil ich sehen will, wie die englischen Lionesses auf der daheim erzeugten Euphoriewelle surfen, wie Vivianne Miedema in einem Spiel vier Tore schießt, Vicky Losada überraschend zur besten Spielerin gekürt wird und die Amerikanerinnen einfach nicht aufgeben.
Weil es mir letztlich egal ist, wo die Begeisterung herkommt, solange sie da ist. Es wird ein tolles Turnier mit vielen wunderbaren Szenen. All das wird mir wichtiger sein, als mich über die stiefmütterliche Behandlung des Frauenfußballs in Deutschland zu ärgern.

/br.