Die deutsche WM-Vorrunde in Australien und Neuseeland war insgesamt nicht gerade berauschend (außer kurz im ersten Spiel) und dürfte kaum Selbstbewusstsein für die KO-Phase bringen. Woran hat das gelegen?
Marokko // Der leichte Sieg
In der Vorbereitung auf das Turnier hatte man Marokko als sehr starken Gegner betrachtet und wollte sich entsprechend vorbereiten. Als Gegner wurde mit Sambia also eine afrikanische Mannschaft gesucht, der man eine ähnliche Spielweise und Körperlichkeit unterstellte. Der Test ging zwar deutlich schief, dafür präsentierte Marokko keine der befürchteten Qualitäten. Einzige Spielidee war es, hinten drin zu stehen und ohne jede Präsenz Deutschland den Platz zu überlassen. Mit defensiven Konzepten haben viele weniger talentierte Teams ihren Gegnerinnen das Spiel schwer gemacht. Das gelang den Marokkanerinnen überhaupt nicht. Am Ende stand ein 6:0 für Popp und Co., das in der Wahrnehmung das (für mich) größte Problem des deutschen Teams kaschierte: Das Erarbeiten von Torchancen. Das hat gegen diesen Gegner gereicht - in der Folge dann aber nicht mehr.
Hinzu kommt die Personalproblematik in der Abwehr, die man leider erneut mit Huth als Rechtsverteidigerin gelöst hat. Es bleibt mir unbegreiflich, wie man der Meinung sein kann, eine Spielerin in kurzer Zeit mal eben auf eine derart komplexe Position "umzulernen". Das hat gegen Sambia schon nicht funktioniert und wird es auch in der Folge nicht.
Popps Tore nährten (vor allem medial) ihren Mythos, mehr aber nicht. Das zeigte sich in den folgenden Spielen.
Kolumbien // Zurück zur Realität (und den Problemen)
Mit der Verletzung von Felicitas Rauch musste in der Abwehr erneut umgestellt werden, was mit dem halbzeitigen Ausfall von Sara Doorsoun nicht besser wurde.
Matchplan war es, die Kolumbianerinnen erstmal kommen zu lassen, aber bewusst körperbetont zu spielen und den Südamerikanerinnen so den Schneid abzukaufen. Das funktionierte überhaupt nicht und besonders Ersteres bleibt für mich ein Rätsel. Wenn man den Anspruch hat, ein Spiel zu gewinnen, weil man individuell besser ist (was der Fall ist), geht man ein Spiel so nicht an. Hinzu kommt weiterhin Huth auf Rechtshinten, was schlecht lief, und die Hereinnahme von Chantal Hagel als Linksverteidigerin. Das ist aber (Achtung: Überraschung) nicht Hagels Position. Entsprechend hat die Neu-Wolfsburger kein gutes Spiel gemacht; sie war sowohl offensiv wie defensiv wirkungslos, gewann kaum Zweikämpfe, wenn sie für dieses überhaupt zur Stelle waren. Im Dritten Spiel wird das noch schlimmer, als sie in die realtaktische Dreierkette rücken musste und erneut eine personelle Fehlbesetzung war.
Der Trainer Kolumbiens sagte im Vorfeld: Er wüsste, das sein Team gegen Deutschland gewinnen wird. Und diese Überzeugung war von Anfang an da. So geht man so ein Spiel an.
Insgesamt stelle ich deutlich fest: Das Spiel wurde vom deutschen Trainerteam völlig vercoacht.
Die Offensivbemühungen blieben ebenfalls schwach. Dass es ein Kader mit dieser Qualität nicht schafft, sich Torchancen zu erarbeiten, ist ein Unding. Das Konzept bleibt: Flanken auf Alexandra Popp. Nur das funktioniert. Und wenn das nicht funktioniert, gibt es keine Alternative. Das ist, offen gestanden, armselig. Hinzu kommt Folgendes: Wenn Popp nicht als Zielspielerin zur Verfügung steht, ist sie sogar ein Problem für den Spielaufbau. Ist sie an diesem beteiligt, ist sie leider ein Totalausfall. Pässe von ihr kommen nur an, wenn sie zurückgespielt werden.
Ab dem gegnerischen Drittel fehlt aber dem gesamten Team jede Präzision. Symptomatisch dafür auch die Leistung von Lina Magull, die nichts von ihrer Qualität auf den Platz bringen konnte. Die Ungenauigkeit im Aufbau ab dem letzten Drittel ist ein längst bekanntes Problem, das man nicht in den Griff bekommt. Der letzte, vor allem aber der vorletzte Pass versanden zu oft. Hier muss man die Schuld beim Trainerteam suchen. Es ist keine Spielidee zu erkennen, so kann das Turnier nicht erfolgreich werden. Die Quittung gab's mit einer, bei allem Respekt, peinlichen Niederlage mit auffällig negativen Leistungen von Popp (trotz Elfmetertor), Magull, Hagel. Auch Däbritz bleibt weiterhin unter ihren Möglichkeiten.
Südkorea // Der Muss-Sieg
Die Südkoreanerinnen präsentierten sich für mich als bisher schwächstes Team aller Teilnehmer. Das änderte sich ausgerechnet gegen Deutschland. Die haben sich auch nicht von der ständigen Meldung der Rückkehr der Heilsbringerin Marina Hegering verunsichern lassen. Die designierte Abwehrchefin und Abwehrorganisatorin hat dann gleich einmal mit schlimmen Stellungsfehler die koreanische Führung begünstigt. Im Vorfeld hatte ich schon geäußert: Wenn sie einen Fehler macht, klingelt's. Sicherheit in die Abwehr konnte sie nicht bringen. Im Mittelfeld fehlte zudem viel zu oft der Zugriff.
Realtaktisch stellte sich die deutsche Defensive in einer Dreierkette auf (3-5-2), erneut mit Hagel in der Kette, erneut war das eine Fehlbesetzung. Warum man nicht auf Sjoke Nüsken setzte, die eine gute Vertretung für Doorsoun darstellte, kann ich nicht erklären.
Im Vorfeld, als sich die Doppelspitze andeutete, sagte ich, dass man auch mit 5 Stürmerinnen spielen kann, doch das bringt nichts, wenn man diese nicht einsetzen kann.
Der Ausgleich für das deutsche Team fällt dann auf die einzige Art, die möglich ist: Flanke auf Popp. Persönlich liebe ich solche Tore, die Flanke war super für Popp und die macht das Tor herausragend gut. Doch das wird nicht reichen. Das als Spielprinzip zu nutzen (und nicht als weitere Angriffsvariante) ist bieder und zu ausrechenbar. Gleiches gilt für das ständige Setzen auf Alex Popp.
Am Ende scheidet Deutschland zurecht aus. Das lag allerdings nicht an den Spielerinnen. Die haben alles gegeben und nach Lösungen gesucht. Geliefert werden müssen die vom Trainerteam, wenn der Gegner das nicht freiwillig tut.
Insgesamt ein gutes Turnier gespielt haben Popp, Hendrich, Doorsoun, Brand (in Teilen), Oberdorf (in Teilen).
Eher nicht so gut lief es für Huth, Hagel, Däbritz
Zu viele Spielerinnen funktionierten im System Voss-Tecklenburg nicht. An diesem Punkt muss das System überdacht werden. Nach der peinliche Niederlage gegen Serbien vor der EM 2022, hat die Mannschaft das Gespräch mit dem Trainerteam gesucht und Kritik vorgebracht. Danach wurde dort einiges geändert und das brachte etwas. Ob es nach dem Sambia-Spiel auch so war, ist bisher nicht bekannt. Doch man scheint immer wieder in alte Muster zu verfallen. In diesem Fall, dass Martina Voss-Tecklenburg zu detailversessen ist in einer Art, die bei Auswahl-Mannschaften nicht gut ist. Anstatt funktionierende Spielerinnen nach ihren Stärken einzusetzen, versucht sie, sie in ihr System zu zwingen. Deshalb war das Team dieses Jahr nicht erfolgreich. Da kann ich auf die tolle Stimmung im Team verweisen, so viel ich will.
Viele "kleinere" Teams konnten in der Vorrunde die Topteams vor Probleme stellen. Die wirklich guten Mannschaften haben aber dennoch einen Weg gefunden - und wenn's ein erarbeitetes 1:0 war.
Dieses Ausscheiden überrascht mich nicht völlig (ist nicht hämisch gemeint), dennoch bleibt es ein Schock. Und tut weh. Die Spielerinnen tun mir leid.